Auf ihrer Facebook-Seite hat die Bewegung „Pegida“ (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels bereits 47620 Likes. Die Youtube-Videos von den „Protestspaziergängen“, an denen Tausende von Menschen u.a. in Düsseldorf bisher teilgenommen haben, erreichten innerhalb weniger Tage mehr als 10 000 Views.
Man gibt sich als Bürgerbewegung, als Erhalter_in des Abendlandes, als Bewegung von Patriot_innen und als „wahre DemokratInnen“ – und hat dabei auch keine Berührungsängste zu den Identitären, der AfD oder HoGeSa (Hooligans gegen Salafisten).
Bei der Demo in Düsseldorf am 8. Dezember 2014 eröffnet sich in der Rede Alexander Heumanns die Perfidie dieser sich als offen und tolerant gebarenden „wahren“ Demokrat_innen. Zentral ist nicht nur, was hier gesagt wird, sondern vor allem auf welche Art und Weise und mit welchen Formulierungen dies geschieht. So spricht Heumann etwa von „Antifa-Horden“. Dem Staat wird vorgeworfen, „Krieg gegen die eigenen Bürger“ zu führen. Der Untergang des Abendlandes wird heraufbeschworen. Zudem gäbe es „nur im Islam den Zwang“ und nur „im Islam kann der Abfall vom Glauben tödlich enden“. „Der“ Islam – gerne wird pauschaliert – sei zudem frauenfeindlich und homophob. Bezüglich Sexismus eine Randbemerkung: Wenig später meint Heumann, die „68er-Revolte“ sei schuld an einem „Radikalfeminismus“, der alle Frauen verteufle, die sich für Familie und Kinder entscheiden. Nur soviel zum Thema Sexismus.
Doch seien wir beruhigt: es sind ja eh nicht alle Muslime unsere Feinde, so der Redner.
In den wenigen darauf folgenden Minuten werden alle Elemente des Weltbilds, das von derartigen modernen Bewegungen, die durchaus in einem offen rechtsextremen Meinungsspektrum (als Basis dieser Einschätzung dient die Definition Rechtsextremismus des DÖW) zu verorten sind, vertreten wird, von Heumann bedient:
– Europa der Vaterländer
– Ablehnung der EU: als Synonym wird „Brüssel“ verwendet
– „Totalitäres Gendermainstreaming“: generelle Ablehnung feministischer Haltungen
– Ablehnung eines Aufklärungsunterrichts in der Grundschule: die Bestrebungen einer Reform der Unterrichtspläne werden ins Lächerliche gezogen bis hin zum Abgleiten in die komplette Absurdität.
– Ablehnung des Euro als Währung: Behauptung eines „Betrugs durch die europäische Währungspolitik“
– Problem der „unkontrollierten Zuwanderung“ (Kriegsflüchtlinge: vorübergehend o.k., Wirtschaftsflüchtlinge: nicht o.k.)
– „Wir“ sind nicht das Sozialamt der Welt und „wir“ müssen uns um „unsere“ Armen und Alten (die angeblich ihre Pflegeheime für die Asylwerber_innen räumen müssen) zuerst kümmern.
– Verschwörungstheorien: „die Eliten in Brüssel lassen sich durch den Ölreichtum der arabischen Staaten kaufen“, „die Eliten wollen das Europa der Vaterländer abschaffen“ („Staatsstreich von oben“)
– Berufung auf die Identität und Traditionen der europäischen Völker (Stichwort Ethnopluralismus)
– Aufstand der Anständigen („Wir sind das Volk“)
Grundlagen der Argumentation:
– Extrem verkürzte Darstellungen (bis hin zur kompletten Verdrehung der Faktenlage) zur Untermauerung der eigenen Wertehaltung.
– Populistische Programmatik, die lediglich ein Schwarz-Weiß-Denken kennt und sich auf Differenzierungen prinzipiell nicht einlässt.
– Klares Exklusionsprinzip nach dem Grundsatz: Alle, die wir prinzipiell aufgrund unserer Ideologie ablehnen sowie jene, die nicht auf unserer Seite stehen, gehören nicht dazu.
– Externalisierung der Verantwortung für (gefühlte) Missstände nach einem klaren Sündenbockprinzip an „die Anderen“ und „die da oben“, „die Wirtschaftsflüchtlinge“, „die Sozialschmarotzer“ etc.
– Rückbesinnung auf „alte Werte“, ohne diese näher zu benennen. Man beruft sich in erster Linie darauf, welche Wertehaltungen man ablehnt.
– Schaffung und Benennung klarer Feindbilder, die dann nach dem Prinzip „es sind ja eh nicht alle [Ausländer, Asylwerber_innen, Feminister_innen, Muslim_innen, Politiker_innen, Journalist_innen usw.] so, ABER…“ relativiert werden, um etwaige Radikalismusvorwürfe abschwächen zu können.
– Sich selbst zum Opfer des politischen System und der „Feindpresse“ hochstilisieren.
Egal ob HoGeSa, Pegida, Identitäre oder die PRO-Bewegungen: allen gemeinsam ist der erhebliche Zulauf aus sämtlichen politischen Richtungen – nicht nur vom rechten Rand. Sie verstehen es, durch eine intelligente Nutzung moderner Medien und Kommunikationstechnologien sowie der Übernahme vormalig klassisch „linker“ Protestformen Massen an Menschen zu mobiliseren und diffuse Ängste noch weiter zu schüren. Lösungsansätze und differenzierte Argumentationen sucht man vergebens. Stattdessen herrscht die Schaffung von Feindbildern und diffusen Ängsten vor. Ihre Gefährlichkeit liegt aber genau in diesem Mobilisierungspotenzial, das auf keinen Fall unterschätzt werden darf. Als Reaktion auf die Bewegung der Pegida die Asylgesetzgebung zu verschärfen und Grund- und Menschenrechte zu beschneiden – was ja bisweilen diskutiert wird – ist genau die falsche Vorgehensweise und signalisiert, dass der Staat erpressbar ist. Und dies alles auf dem Rücken gesellschaftlicher Minderheiten.