Die wunderliche Demokratie-Welt der FPÖ

Die FPÖ setzte nach der Veranstaltung „Voices for Refugees“ zu einem sozialmedialen Rundumschlag an, der sich gewaschen hat. Strache postet nahezu im Minutentakt, warum, wieso und weshalb jene, die in Wien ein Zeichen der Menschlichkeit setzten, sowieso quasi lauter Vollidioten seien. In diversen Online-Foren las man, die Leute seien ja nur wegen des Gratiskonzerts hingegangen. Die Tatsache, dass es ja kein reines Konzert war, sondern Flüchtlinge, KünstlerInnen und Personen des öffentlichen Lebens klare Statements abgaben und diese von den über hunderttausend Menschen bejubelt wurden, lassen diese PosterInnen galant unter den Tisch fallen.
Man bekommt den Eindruck, die FPÖ und ihre AnhängerInnen bekämen dezentes Muffensausen in Anbetracht der Tatsache, dass bei diesem Lichtermeer 2.0 mehr Menschen dabei waren, als sich selbst die VeranstalterInnen erträumt hatten.
Bei der ElefantInnenrunde am 5. Oktober bekräftigte Michael Häupl abermals, mit der FPÖ keine Koalition eingehen zu wollen. Das „Mimimi“ der FPÖ folgte auf dem Fuße: Die übliche Behauptung, dies sei undemokratisch, wird nicht wahrer dadurch, dass es ständig gebetsmühlenartig wiederholt wird. Warum ich finde, dass eine derartige Haltung nicht undemokratisch ist? Dafür gibt es mehrere Gründe:

  • Strache zeichnet das Bild, dass nur die FPÖ die einzige wirklich demokratisch denkende Partei sei. Ein Alleinheitsanspruch ist das genaue Gegenteil der Demokratie.
  • Eine zu Wahlen zugelassene Partei zu sein ist noch kein alleiniger Grund, sie als demokratisch anzusehen. Wer Kopfgelder auf WahlbeisitzerInnen aussetzt und den BeisitzerInnen anderer Fraktionen pauschal Wahlbetrug unterstellt, erkennt den gängigen und gesetzlich festgelegten Wahlmodus und damit die Wahlen nicht an.
  • Die FPÖ muss es sich im Sinne der Demokratie, die sie angeblich mit Zähnen und Klauen verteidigt, gefallen lassen, in einem demokratischen Diskurs für ihre Ideologie kritisiert zu werden. Wird sie kritisiert, werden die KritikerInnen jedoch als HetzerInnen dargestellt.
  • Jemand, der Rechte für sich selbst beansprucht – etwa die freie Meinungsäußerung – sie zugleich jedoch anderen abspricht, ist kein Demokrat, sondern jemand, der sich die Rosinen aus dem Kuchen pickt um andere in ihren Rechten zu beschneiden. Die FPÖ benutzt die geltende Rechtslage als Vehikel, um in Österreich eine Autokratie à la Ungarn installieren zu wollen.
  • Und abschließend: Die FPÖ stellte bisher das Verbotsgesetz als angebliche „Beschneidung der Meinungsäußerung“ mehrfach infrage. Strache und KonsortInnen – das zeigt sich an diesem Beispiel – verwechseln die Demokratie permanent mit einer Gesellschaft, in der das Recht des/der Stärkeren gilt. Wo Mehrheiten über Minderheiten bestimmen und Gesetze – wie etwas das Recht auf Asyl – ohne jeglichen Blick auf Grund- und Menschenrechte oder die Verantwortung, die aus der historischen Vergangenheit erwachsen ist, beschlossen werden sollen. Wo jede Meinung, sei sie auch noch so diskriminierend und abwertend geduldet, ja bejubelt werden muss. Du bist MindestsicherungsbezieherIn? Dann bist du selber schuld dran. Du bist Kriegsflüchtling? Beweise, dass du kein „Wirtschaftsflüchtling“ (ein Begriff, der ja in der Rechtssprechung nicht einmal existiert) bist. Wenn du das nicht kannst: Geh sterben. Du bist obdachlos? Dann willst du’s ja sicher so. Jedoch: Bist du Rechtsextremist, der in der Öffentlichkeit den Hitlergruß gezeigt hat? Freie Meinungsäußerung. Du bist ein Jugendlicher, der mit Softguns auf Holocaust-Überlebende schießt? Dummer Bubenstreich. Du bezeichnest Mohammed als „Kinderschänder“? Das ist keine Verhetzung, das ist doch die Wahrheit.

Zu einer Demokratie gehört ein Regelwerk, das historisch gewachsen ist und aus gutem Grund besteht. Auch und besonders das Verbotsgesetz sowie Gesetze, die es möglich machen, gegen Verhetzung, Diskriminierung aufgrund der Herkunft, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung oder Herabwürdigung religiöser Lehren vorzugehen, gehören zum Wertekanon einer zivilisierten und DEMOKRATISCHEN Gesellschaft nun einmal dazu. Ebenso wie ein Diskurs, den man nicht einfach abdrehen kann, indem man sich selbst permanent zum Opfer stilisiert – und das meistens mit schlicht falschen Behauptungen, die man sich aus zweifelhaften Online-Portalen wie unzensuriert.at zusammenklaubt. Als Partei, die – mehr als jede andere – einschlägig vorbestrafte FunktionärInnen und Mitglieder vorzuweisen hat, sollte man mit dem erhobenen Zeigefinger höchst vorsichtig umgehen. Da ist Häupls Entscheidung, mit der FPÖ keine Koalition einzugehen, eine grunddemokratische Haltung. Nämlich eine, die verhindert, dass die FPÖ die demokratisch hart erkämpften und in einem langen Prozess erarbeiteten Rechte anderer beschneidet.

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